Die Ungeheuerlichkeit und Provokation der heutigen Osterbotschaft entfaltet oft genug nicht ihre eigentliche Sprengkraft und verhallt ungehört. Zu oft hat man sie schon gehört, aber nicht verstanden. Zu tief sitzt der Zweifel, einem frommen Märchen aufzusitzen. Zu schön, um wahr zu sein, denken viele.
Wir, liebe Schwestern und Brüder, sind in den Dom gekommen, um uns von dieser Osterbotschaft berühren zu lassen. Nicht nur die feierliche Liturgie, die wunderbare Orchestermesse, die einnehmende Atmosphäre faszinieren, sondern die Botschaft: Christus ist wahrhaft von den Toten erstanden!
Woher nehmen wir diese Gewissheit? Es heißt doch immer: Es ist noch keiner von den Toten zurückgekommen. Doch, einer ist zurückgekommen: Jesus Christus.
Das bezeugen die Frauen am leeren Grab. Einige werden mit Namen genannt: Maria von Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und Salome. Maria von Magdala bringt Petrus und Johannes dazu, zum Grab zu laufen und sich zu überzeugen, dass das Grab leer ist. Das Märchen vom gestohlenen Leichnam Jesu macht die Runde.
Die Apostel können das Wunder der Auferstehung noch nicht begreifen. Sie müssen erst selbst dem Auferstandenen begegnen. Das geschieht am Ostersonntagabend. Zwei Jünger begegnen dem auferstandenen Herrn auf dem Weg nach Emmaus. Weitere Begegnungen schließen sich an und werden in den Heiligen Schriften festgehalten. Die Begegnung mit Thomas – im Kreis der Apostel – ist nur eine davon. Paulus bemerkt an einer Stelle, dass noch 500 Personen leben, die dem Auferstandenen begegnet sind (Vgl. 1 Kor 15,6).
Man kann also nicht von Einbildung, Halluzination einiger religiöser Fanatiker reden. Die Zahl der Augen- und Ohrenzeugen ist zu groß, der Zeitraum, in dem sie dem Auferstandenen begegnet sind, zu lange, der Preis für diese Botschaft, der eigene Tod, zu hoch.
In der heutigen ersten Lesung aus der Apostelgeschichte (10,34a.37-43) ist schon der ganze Kern der innovierenden Osterbotschaft erhalten. Petrus verkündet den Menschen, die Jesus vor seinem Kreuzestod begegnet sind, dass er am dritten Tage auferweckt worden und den von Gott vorherbestimmten Zeugen erschienen sei. Dabei betont er, dass sie, die Zeugen, sogar mit dem Auferstandenen gegessen und getrunken haben. Damit beugt er jeder Interpretation vor, die nur eine Schein-Auferstehung gelten lassen will, so, als ob Jesu nur gedanklich oder in den Gedanken der Verkünder auferstanden sei. Nein, an der Verkündigung einer realen Auferstehung Jesu von den Toten ist nicht vorbei zu kommen.
Und mit der Auferstehung Jesu Christi kommt auch unsere Auferstehung von den Toten ins Blickfeld.
Das bedeutet: Die Sicht auf unser Leben verändert sich völlig. Es gilt nicht mehr der einfache Kreislauf von Geborenwerden und Sterben, von Aufblühen und Vergehen, vom lapidaren Satz: Lasst uns heute leben, denn morgen sind wir tot. Jetzt gilt vielmehr, dass unser Leben sich in das ewige Leben Gottes hinein verantworten muss. Mit dem Blick auf das Weiterleben nach dem Tode verändert sich die Sicht auf unser Heute. Dabei schwebt nicht so sehr das Damoklesschwert des kommenden Gerichtes über uns. Vielmehr kommt eine neue Werteordnung zum Tragen: Nicht innerweltlich lässt sich das eigentliche, wahre Glück finden, sondern erst in der Vollendung des Himmels. Nicht eine Ellenbogenmentalität schafft Vorteile und Zufriedenheit, sondern Nächstenliebe und Einhaltung der göttlichen Ordnung. Natürlich wollen das diejenigen nicht hören, die eine Dynamik der Macht und die Herrschaft des Menschen über den Menschen ausüben. Ostern sagt uns, dass die Ohnmacht der Liebe letztlich siegt. Wer sein Leben verliert um des Evangeliums willen der wird es gewinnen.
Wir, liebe Schwestern und Brüder, dürfen voll Vertrauen auf die Zusage des Auferstandenen bauen, dass er alle Tage bei uns ist, dass sich seine Liebe durch uns hier und heute ausbreiten will und dass er uns im Glanz seiner Vollendung beim Vater erwartet. Können wir uns eine größere Osterfreude vorstellen?
Amen.