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Zölibat

Predigt von Oberstudienrat Achim Wenzel, Hausgeistlicher im Kloster Oberzell, vom 18. Oktober 2009

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich am vergangenen Freitag den Bericht über die Suspendierung des Hammelburger Stadtpfarrers in der Zeitung gelesen habe, habe ich mich sehr darüber geärgert. Denn auch dieser Bericht erweckt wiederum den suggestiven Eindruck, dass jeder Priester, der aus dem Amt scheidet, weil er heiraten möchte, den eigentlich besseren, menschlicheren und sowieso biblischeren Weg geht. Und wir, die wir als zölibatär lebende Priester zurück bleiben, sind im Grunde nur zu bedauern oder sowieso unglaubhaft. Dazu werden dann immer noch im Internet oder in der Zeitung entsprechende Leserbriefe und Interviews der Betroffenen abgedruckt. Von Seiten des Bistums vermisse ich allerdings auch dazu endlich einmal eine klare Stellungnahme zugunsten von uns Priestern, die wir nach wie vor trotz aller Schwierigkeiten und Infragestellungen unserem Berufungsweg und unserer freiwillig gewählten Lebensform treu bleiben! Dieser Ärger hat schließlich dazu geführt, dass ich meine Predigt, die ich eigentlich für heute vorbereitet hatte, nicht halten werde, sondern meine persönliche Sicht zum Thema „Zölibat“ Ihnen gerne mitgeben möchte.

Wenn ich persönlich an meine Priesterweihe vor fast zwanzig Jahren zurückdenke, fällt mir als erstes dieses Bild ein: Ich liege im Dom vor dem Altar ausgestreckt auf dem Boden, das Gesicht zur Erde. Alle Heiligen wurden damals über mir in dieser Lage angerufen. Das ist für mich die Wahrheit über uns Priester, das ist unsere Platzanweisung, nicht hoch hinaus, sondern unten am Boden der Lebenswirklichkeit, das gilt auch für unsere ehelose Lebensform. Gleichzeitig drückt diese Haltung für mich meine Ohnmacht und Hingabe an Jesus Christus aus. Dabei kommt mir ein Wort des Apostels Paulus in den Sinn: „Wir tragen diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen“ – ja in der Tat, wir Priester tragen den Schatz unserer Berufung in zerbrechlichen Gefäßen. Daher darf auch ein Priester in seinem zölibatären Lebensentwurf scheitern so wie es auch in der Ehe ein Scheitern gibt. Wenn ein Mitbruder merkt, dass er so nicht mehr leben will, dann soll er auch in Frieden mit sich und der Kirche gehen dürfen. Was übrigens auch in der Regel der Fall ist. Die Kirche schmeißt niemand raus oder lässt einen Priester einfach fallen, sondern gibt finanzielle und menschliche Unterstützung für den neuen Lebensentwurf, nur das verschweigt die Presse gern und bewusst. Was mich nur ärgert, ist immer die Verallgemeinerung und suggestive Unterstellung einer allgemeinen Unglaubwürdigkeit der Priester in Punkto Zölibat. Überhaupt hat für viele Zeitgenossen, darunter auch nicht wenige Christen beider Konfessionen, das Wort Zölibat grundsätzlich einen negativen Beigeschmack. Oft wird dazu sofort das Wort „Pflicht“ oder „Zwang“ mit genannt. Die Gründe für den Zölibat seien sowieso nur rein technischer oder praktischer Art. Und vor allem: Der Zölibat solle die absolute Verfügbarkeit garantieren. Außerdem sei er längst überholt und stamme sowie aus dem Mittelalter.

Niemand wird in der Kirche zu einer bestimmten Lebensform gezwungen. Auch ich habe mich damals bewusst dafür entschieden. Außerdem geht es hier für mich nicht in erster Linie um eine Verpflichtung, sondern um ein Charisma im Sinne des Apostels Paulus, der im ersten Korintherbrief sagt: „Eigentlich möchte ich gern, dass alle Menschen so leben könnten wie ich. Aber ich weiß: Jeder hat sein Charisma von Gott. Mein Charisma ist die Ehelosigkeit“ (vgl. 1 Kor 7,7). Ehe und Ehelosigkeit sind also Gaben von Gott, Geschenke des Heiligen Geistes! Beide Lebensformen dürfen daher nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beide sind eigenständige, sich gegenseitig ergänzende Lebensformen, in denen auf verschiedene Weise die Liebe Gottes zu uns Menschen zum Ausdruck kommt. Eheleute legen Zeugnis ab von der Liebe Gottes zu jedem Einzelnen von uns als „persönlichem Du“! Ehelose legen Zeugnis ab von der Liebe Gottes zu allen Menschen, die über das persönliche Leben hinausgeht und den Einzelnen in die größere Gemeinschaft der Glaubenden – Kirche genannt – einbindet. Darin ist die Ehelosigkeit zutiefst und existentiell mit der Lebensform Jesu verbunden, der die Liebe Gottes allen Menschen, besonders den Armen und Schwachen, verkündet hat und diese Liebe mit seinem Leben erfahrbar, spürbar, berührbar gemacht hat. Und darum geht es auch und gerade in der zölibatären Lebensform: Um die Liebe! Geistliche Berufung in einer ehelosen Lebensform ist nicht unmenschlicher Verzicht, sondern Ausdruck einer großen Liebe zu Gott und den Menschen. Deshalb gehört der geistlich ehelos Lebende ganz Gott und Christus wie Eheleute einander gehören! Und diese Liebeserfahrung mit Gott und Christus haben Christen und Christinnen zu allen Zeiten immer wieder gemacht, so sehr, dass man sie deswegen sogar mit einem eigenen Wort als Mystiker und Mystikerinnen bezeichnet. Der Zölibat, die ehelose Lebensform sind daher für mich einzig und allein eine Frage der Liebe. Und von daher halte ich die Ehelosigkeit auch als die für den Priester angemessene Lebensform, die mit seinem Amt untrennbar verbunden ist, was ja durch das sogenannte Zölibatsgesetz garantiert werden soll. Wenn ich verheiratet wäre, dann wäre es für mich trotzdem unverantwortlich, Frau und Kinder immer an die zweite Stelle setzen zu müssen zugunsten meiner Christusbeziehung und meiner priesterlichen Aufgaben für die mir anvertrauten Menschen! Ich könnte ihnen in diesem Amt, so wie ich es bis jetzt erlebt habe, nie die ausschließliche Zuwendung schenken, die ihnen zusteht. Sicher kann man den Zölibat in Frage stellen, aber bedenken wir auch, dass die damit verbundene Lebensform der Ehelosigkeit, wenn sie wahrhaftig und offen gelebt wird, auch uns und unser Leben in Frage stellt und uns zeichenhaft darauf hinweisen möchte: Unser Leben kann uns nicht alles geben, unsere Beziehungen können uns nicht alles geben, Familie kann uns nicht alles geben, Sexualität kann uns nicht alles geben. Letztlich kann es nur Gott und wer Gott hat, der hat alles, Gott allein genügt - sagt Teresa von Avila, die große spanische Mystikerin im ausgehenden Mittelalter. Sie hatte sich unsterblich in Gott verliebt.