Liebe Mitbrüder im Priester- und Diakonenamt,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn.
Barbara Weigand, die hier von 1845 – mit der Unterbrechung ihrer Mainzer Jahre – bis 1943 gelebt hat, leuchtet als große Verehrerin der heiligen Eucharistie bis in unsere Zeit. Sie hat die weiten und beschwerlichen Wege von Rück-Schippach nach Aschaffenburg mehrmals in der Woche auf sich genommen, um dort die täglich ausgeteilte heilige Kommunion zu empfangen. Sie hat in Mainz den schweren Dienst in der Gastwirtschaft ihres Bruders versehen, um auch dort täglich Christus in der heiligen Hostie empfangen zu können. Dankenswerterweise wird hier in Rück-Schippach die eucharistische Anbetung (seit 1962) in der Sakramentskapelle auf das beste gepflegt, und dies zeigt, dass Barbara Weigand bis heute große Spuren hinterlassen hat.
Der heutige Tagesheilige Augustinus, ebenfalls ein großer Verehrer der heiligen Eucharistie, hat uns grundlegendes zur Eucharistie und ihrer Verehrung zu sagen: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“ Dieser gewichtige Ausspruch des heiligen Augustinus steht über unserer Eucharistieverehrung und macht deutlich, wie groß und tief dieses Geheimnis des sich an uns verschenkenden Gottes ist.
Was sind wir? Leib Christi? – Wir? Wir armseligen Christen sind Leib Christi? Es ist schon viel über die Kirche als Leib Christi gesagt und geschrieben worden, aber haben wir es auch verinnerlicht? Wir wissen nur zu gut, dass wir eine pilgernde Kirche sind mit allen Fehlern und Grenzen irdischen Daseins. Die auf uns geladene Schuld hat nicht die uns in der Taufe und in den anderen Sakramenten zugeeignete Erlösung, und damit die Berufung, in dieser Kirche Christ zu sein, aufgehoben. Denn die Kirche ist mehr als die Summe der Gläubigen, der verstorbenen wie der lebenden.
Durch den heiligen Paulus, den wir in diesem Paulusjahr besonders in den Blick nehmen wollen, haben wir das Bild der Kirche vom Leib und den verschiedenen Gliedern geschenkt bekommen: „Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder denselben Dienst leisten, so sind wir, die vielen ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören.“ (Röm 12,4f,)
Paulus hatte als Saulus im Bekehrungserlebnis vor Damaskus die Stimme gehört, die sagte: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ (Apg 9,4f.) Saulus hatte die Kirche verfolgt – und Jesus gab ihm zu verstehen, dass ER die Kirche sei: „Warum verfolgst du mich?“
Kirche – Jesus Christus und wir – bilden eine untrennbare Gemeinschaft, die trotz unserer irdischen Begrenzung bleibt. Wir sind der Leib Christi, der über das mühsame Pilgerdasein hinausragt in die in Christus schon gegenwärtige Vollendung. Irdische pilgernde Kirche und vollendete himmlische Kirche, die wir in unseren Heiligen immer wieder auf- und anrufen, sind eins. Deshalb kann der heilige Augustinus sagen: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi.“
So sagte an anderer Stelle der große Kirchenvater Augustinus: „Die Eucharistie ist … unser tägliches Brot. Allerdings ist sie es nur, wenn wir sie auch mit dem Geist, und nicht allein mit dem Magen empfangen. Das Wunder selbst, das darunter verstanden wird, ist die Einheit, dass wir, zu seinem Leib gemacht und seine Glieder geworden, das sind, was wir empfangen. Dann erst wird es wahrhaft unser tägliches Brot sein.“ (Predigt 57,7)
Liebe Schwestern und Brüder,
es kann einem schon schwindeln, wenn man sich den Sachverhalt klar macht. „Christ, begreife deine Würde!“ wurde deshalb immer wieder den Christen zugesprochen, wenn sie unter der Last ihres Alltags niedergedrückt waren. Sicherlich hat auch Barbara Weigand diesen großen Hunger nach der Eucharistie aus diesem Verständnis heraus erlebt und die Sehnsucht nach der täglichen Kommunion gehabt. Leider war es zu ihrer Zeit nur sehr schwer möglich. Heute ist es leider durch Priestermangel ebenfalls wieder erschwert. Umso kostbarer muss uns die Möglichkeit zum Empfang der heiligen Kommunion aufgehen.
Aber Barbara Weigand hat nicht nur den ersten Teil des Ausspruches vom heiligen Augustinus beherzigt: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi.“ Sondern auch den zweiten Teil: „damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“ Wir sollen den Leib Christi empfangen, damit wir werden können, was wir sein sollen: Leib Christi.
Wir empfangen in der heiligen Kommunion wahrhaft und wirklich den Leib Christi. Dies ist nicht einfach nur ein symbolisches Geschehen. Es ist nicht nur ein Erinnern an das Geschehen im Abendmahlssaal des Gründonnerstages, sondern es ist ein Vergegenwärtigen des Erlösungsgeschehen am Kreuz des Karfreitags, das sich schon – unblutig – am Vorabend im Abendmahlssaal ereignet hat. Christus schenkt sich uns in dieser Speise und wandelt uns in sein eigenes Leben. Er gibt uns sein Fleisch und Blut zur Speise und zum Trank und befähigt uns dadurch, sein Leib zu sein. So ist der Empfang der heiligen Kommunion immer zugleich mit der Verpflichtung verbunden, das zu werden, was wir empfangen: Leib Christi.
Aus all diesem ergibt es eine weitere Konsequenz: Wir dürfen und sollen den unter den Brotsgestalten gegenwärtigen Herrn anbeten. Papst Benedikt XVI. hat es in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum Caritatis so formuliert: „In der Eucharistie kommt uns ja der Sohn Gottes entgegen und möchte sich mit uns vereinigen; die eucharistische Anbetung ist nichts anderes als die natürliche Entfaltung der Eucharistiefeier, die in sich selbst der größte Anbetungsakt der Kirche ist. Die Eucharistie empfangen heißt, den anbeten, den wir empfangen…Der Akt der Anbetung außerhalb der heiligen Messe verlängert und intensiviert, was in der liturgischen Feier selbst getan wurde.“(Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 177, 89)
Auf dem 49. internationalen Eucharistischen Kongress in Québec, Kanada, in diesem Jahr wurde im Grundlagendokument gesagt: „Die eucharistische Feier setzt Christus gegenwärtig im Akt der Anbetung schlechthin, der sein Tod am Kreuz ist… Die eucharistische Anbetung über die Messe hinaus verlängert das Gedächtnis, indem sie die Gläubigen einlädt, beim Allerheiligsten gegenwärtigen Herrn zu verweilen: ‚Der Meister ist da und lässt dich rufen’ (Joh 11,28).“ (Die Eucharistie – Päpstliches Komitee für die Internationalen Eucharistischen Kongresse: Die Eucharistie – Gabe Gottes für das Leben der Welt, Echter, 45). Auch Papst Johannes Paul II. hatte in seiner Enzyklika Ecclesia de Eucharistia gesagt: „Es ist schön, bei ihm zu verweilen und, wie der Lieblingsjünger an seine Brust gelehnt (vgl. Joh 13,25), von der unbegrenzten Liebe seines Herzens berührt zu werden.“ (Ebd. 45f.)
Ich freue mich, dass in unserem Bistum verstärkt die eucharistische Frömmigkeit wahrgenommen und in zahlreichen Anbetungsstunden gelebt wird. Dies ist eine der entscheidendsten Quellen der Erneuerung unserer Kirche. Barbara Weigand hat in ihrer religiösen Glut die Verehrung und Anbetung Jesu Christi im heiligsten Altarssakrament sehr gefördert. Diese hiesige schöne Sakramentskapelle ist ein würdiger Anbetungsraum, eine Oase in der Wüste unserer Zeit und ein Erfahrungsort der Liebe Gottes. Wir dürfen dankbar sein und die Einladung unterstreichen: Venite adoremus – kommt, lasset uns anbeten.
Amen.
Amen.