Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

In den Grenzbereichen der Künste

Theater mitten im Museum am Dom: Jürgen Wolfs Schauspiel „Körperchen, Körperchen an der Wand“ nach Jan Fabre

Würzburg (POW) Um 19.30 Uhr ist Einlass. Die Zuschauer stehen in der Eingangshalle des Museums und warten. Der Gang zur Bühne vorbei an den Kunstwerken gehört zum Erleben. Aus der Ferne ist ein stereotypes Gemurmel zu hören. Mitten im Museum steht eine schräge Fläche als Bühne. Eine Frau liegt am Boden – hinter ihr steht ein Mann. Nach vorne gebeugt, verbindet beide Köpfe ein verschmolzener Trichter. Die Frau wiederholt in lateinischer Sprache das Vaterunser und das „Gegrüßet seist Du, Maria“. 20 Minuten lang. Eine andere Frau erscheint aus einer Kiste und durchbricht mit ihren Bewegungen die Monotonie.

So beginnt die Begegnung eines Mannes mit einer Künstlerin. Der Gang durch die Ausstellungsräume wird mehr und mehr zum Gang durch den eigenen Körper. Elf Säle und elf Körperzustände werden durchlaufen – vom Saal der Muskeln, des Verdauungssystems bis hin zum Saal des Atmungsapparates. Der Herzschlag wird zu einem fast nicht mehr erträglichen Klopfen mit dem Handrücken auf die Bühne.

Jürgen Wolfs Inszenierung begibt sich in die Grenzbereiche der Künste: Die Bühne wird zur Leinwand, und die Sätze schwirren umher wie die Blutkörperchen im Kreislauf: „Körperchen, Körperchen an der Wand, wer hat die schönsten Blutkörperchen im ganzen Land?"

Theater, Tanz, Performance und darstellende Kunst reichen sich die Hand, gehen ineinander über, sind aufeinander bezogen, ohne einen Einheitsbrei zu ergeben. Diese Differenzen setzen sich fort: Zwei Frauen und ein Mann setzen die Geschichte von eben nur zwei Menschen in Szene: Perspektiven und Rollen werden immer wieder gewechselt. Innere Gedanken, Erinnerungen, Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung sind nicht mehr einfach zuzuordnen. Was ist Innen und was ist Außen? Das Werk erlaubt keinen Standpunkt, um erhaben alles zu überblicken. Im Grunde gibt es auch keine bloßen Zuschauer, da sie auch von Anfang an dabei sind.

Der erste Eindruck verführt zum Stempel des absurden Theaters. Die Gesichtszüge einiger Zuschauerinnen und Zuschauer unterstreichen die Vermutung. Doch geht es nicht um die Vorführung des Absurden als vielmehr um die Darstellung von Wahrnehmung, Erfahrung und Erkenntnis – bis hinein in die körperliche Existenz. Und die funktioniert nicht statisch, sondern pendelt zwischen Innen und Außen, zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Sie zirkuliert wie ein Körperchen im Blut.

Wolf hat das Stück für das Theater geschrieben. Doch inmitten eines Museums bekommt es ein eigenes Licht. Und beim Hinausgehen, vorbei an der Kunst an den Wänden, stellt sich die Frage: Was hat das mit mir, meinem Körper zu tun?

(1210/0384; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet