Dass bezahlbarer Wohnraum ein seltenes Gut ist, berichten Presse, Funk und Fernsehen fast täglich, und Wohnungssuchende wissen aus eigener Erfahrung von der Unmöglichkeit, eine passende Bleibe zu finden. Heikel ist die Lage in den Großstädten. Besonders betroffen sind Menschen in prekären Lebenslagen. Nun soll mit dem Projekt „NOAH“, das durch die ökumenische Christophorus-Gesellschaft von Caritas und Diakonie in Würzburg initiiert wurde, Abhilfe geschaffen werden.
Großes Interesse am Projekt NOAH
Am Dienstag, 14. März, wurde das durch EU-Mittel geförderte und auf vorerst vier Jahre angelegte Projekt im Würzburger Burkardushaus dem Fachpublikum und Interessierten durch Geschäftsführerin Nadia Fiedler und Projektleiter Jan Bläsing vorgestellt.
Fiedler begrüßte im Döpfner-Saal ausdrücklich die beiden Kooperationspartner für das Projekt, die Würzburger Stadtbau und das Sozialreferat der Stadt. Sie sei, so Fiedler, dankbar für die gute Zusammenarbeit in vielen gemeinsamen Anliegen. Gekommen waren ebenso Vertreterinnen und Vertreter des Landratsamtes, der Polizei und Justiz, der Agentur für Arbeit und des Jobcenters sowie Repräsentanten und Fachleute aus Caritas und Diakonie.
„Wohnen ist ein Menschenrecht“, rief Fiedler den Anwesenden ins Gedächtnis und zeigte sogleich auf, dass sich auch die Stadtgesellschaft schwertäte, dieses Menschenrecht für alle umzusetzen. Eng und hart umkämpft sei der Wohnungsmarkt. „Die Sozialleistungen halten nicht Schritt mit Mietsteigerungen und Inflation.“ Fiedler kritisierte, dass Wohnraum immer noch Spekulationsobjekt und ein Geschäftsmodell zur Gewinnmaximierung darstelle. „Der Markt werde es schon richten, hat sich als Fehleinschätzung erwiesen“, unterstrich Fiedler. Das große Problem müsse politisch angegangen werden. „Bis es hier Lösungen gibt, wollen wir nicht warten und haben deshalb das Projekt NOAH aus der Taufe gehoben“.
Ein ausdrücklicher Dank ging an Gabriel Hüttner vom Diözesan-Caritasverband. Ihm sei es zu verdanken, dass der Weg durch den Dschungel der Antragsbürokratie erfolgreich beschritten und EU-Fördermittel erheblichen Ausmaßes akquiriert werden konnten.
Gottes Segen für das neue Projekt
In seinem geistlichen Impuls ging Dekan Dr. Wenrich Slenczka auf die biblische Geschichte der Arche Noah ein und bezeichnete die Arche als sicheren Zufluchtsort angesichts der Sintflut. Allerdings habe die Geschichte eine oft vergessene dunkle Seite, denn die Schlechtigkeit des Menschen sei der Grund für Gottes strafendes Handeln gewesen. Slenczka erinnerte an die Sozialkritik der alttestamentlichen Propheten und die Zuwendung Jesu zu den Armen und Bedrängten. „Das Projekt NOAH ist ein Hoffnungszeichen, für das wir gemeinsam Gottes Segen erbitten. Es möge den Menschen und der Gesellschaft guttun.“
„Zuerst die Lösung, dann das Problem“
Wohnraum sei nicht die Lösung für die Probleme obdachloser Frauen und Männer, sondern der Anfang, um Problemlösungen in Angriff nehmen zu können, zeigte sich Jan Bläsing in seinem Vortrag sicher und brachte es so auf den Punkt: „Zuerst die Lösung, dann das Problem“. Es gehe um die Möglichkeit, sich in den eigenen Vierwänden zurückziehen und auftanken zu können. Leben auf der Straße sei immer ein Risiko. Menschen bräuchten Sicherheit, um sich mit einer Suchterkrankung, Arbeitssuche und anderen Herausforderungen beschäftigen zu können. Ein fünfköpfiges Projektteam habe sich vorgenommen, obdachlose Personen dauerhaft in Wohnraum zu vermitteln.
„Wir sind auf die Unterstützung wohlwollender Vermieterinnen und Vermieter angewiesen“, sagte Bläsing und hoffe damit auf breite Unterstützung. Menschen, die beispielswiese durch einen Schicksalsschlag ihre Wohnung verloren hätten, bräuchten neue Chancen, um wieder Fuß fassen zu können.
„Alles kann, nichts muss!“
Die fachlichen Ausführungen wurden durch die Teammitglieder Sabine Märkle und Adrian Jiménez ergänzt und vertieft. So gebe es durchaus Voraussetzungen, damit betroffene Frauen und Männer ins Projekt aufgenommen werden könnten. „Jemand muss den Wunsch nach einer eigenen Wohnung haben und sich dann auch kümmern wollen.“ Die Mietkosten würden nicht aus den Projektmitteln finanziert, sondern dann von der Mieterin bzw. dem Mieter. Natürlich gebe es Unterstützung bei der Antragstellung. „Außerdem muss eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden.“ Nach der Kontaktaufnahme sei ein Erst- und dann ein Vermittlungsgespräch vorgesehen. Außerdem sei mit einer Warteliste zu rechnen, wenn der Bedarf höher als das Angebot ist. „Wir sind dankbar für die Vernetzung mit Behörden und Fachstellen“, sagte Märkle, denn Housing First sei mehr als ein Einzelprojekt.
Das unterstrich auch Sozialpädagoge Jiménez. „Wir machen Angebote, stellen Kontakte her zu anderen Diensten und Einrichtungen.“ Niemand müsse diese Angebote annehmen. „Wir setzen voll auf Freiwilligkeit.“ Außerdem sei es Ziel, Ehrenamt und Peergruppenarbeit zu etablieren und ein Spendenkonto einzurichten, um beispielsweise eine Erstausstattung für die Wohnung anschaffen zu können. Für die betreuten Mieterinnen und Mieter gelte: „Wir sind für dich da, bei allem, was da kommen mag!“
Wie vielen kann geholfen werden?
Schließlich nutzten die Anwesenden die Gelegenheit, um Fragen zu stellen. Dabei wurde deutlich, dass die Bereitstellung von Wohnraum der Dreh- und Angelpunkt des Projektes ist. Auf genaue Zahlen wollte sich Geschäftsführerin Fiedler nicht festlegen lassen. „Uns geht es nicht um Masse, sondern um Nachhaltigkeit.“ Wenn zum Ende des Jahres die ersten Frauen und Männer einen eigenen Mietvertrag in der Tasche hätten, sei dies schon ein großer Erfolg. Außerdem, so Fiedler, hoffe sie nach der Projektlaufzeit auf eine Fortführung.
„Ihr seid bei den großen Herausforderungen nicht allein“, ermutigte Dr. Andreas Schrappe vom Diakonischen Werk Würzburg und verwies auf die große Zahl von Mitstreiterinnen und Mitstreitern in der Sorge um benachteiligte Menschen.
Guten Appetit!
Den anschließenden viel gelobten Mittagsimbiss, zubereitet vom Team des Burkardushauses, nutzten die etwa 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum weiteren Austausch und zur Vernetzung. Sie sei mit dem Verlauf der Auftaktveranstaltung sehr zufrieden, ließ schließlich Nadia Fiedler wissen. „Mir ist dieses Projekt für Menschen in prekären Lebenslagen wirklich ein Herzensanliegen.“
Von Wohnungslosigkeit betroffene Frauen und Männer sowie wohlwollende Vermieterinnen und Vermieter können direkt mit dem Projektteam Kontakt aufnehmen: noah@christophorus.de
Sebastian Schoknecht
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