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„Fortschritt“ neu definieren

Es gebe Reaktionen auf die Enzyklika, und etwas Besseres könne einem päpstlichen Lehrschreiben kaum widerfahren. So hat Thomas Schmidt von MISEREOR im Matthias-Ehrenfried-Haus vor 60 Zuhörern die Wirkung des von Papst Franziskus verfassten Lehrschreibens beschrieben. Tatsächlich hat kaum ein päpstliches Dokument der letzten Zeit auch außerhalb der katholischen Kirche eine ähnlich positive Resonanz erfahren wie die am 24. Mai 2015 veröffentlichte Enzyklika.

Charakteristisch für das nach dem Anfang des Sonnengesangs benannte Lehrschreiben sei die untrennbare Verbindung der Themen „Bewahrung der Schöpfung“ und „soziale Gerechtigkeit“, betonte Jürgen Krückel, der Direktor des Matthias-Ehrenfried-Hauses, in seiner Einführung des von seinem Haus, MISEREOR, dem Umweltbeauftragten der Diözese, der Diözesanstelle Mission-Entwicklung-Frieden und der Kreisgruppe Würzburg des BUND Naturschutz veranstalteten Vortrags- und Diskussionsabends. Im Zent- rum stand laut Krückel die Frage: „Welche Art von Welt wollen wir denen hinterlassen, die nach uns kommen?“ Eine globale Sichtweise auf „Laudato si'“ vermittelte Thomas Schmidt, der sich begeistert von dem Text zeigte. Er sei hineingesprochen in Armut, Ungleichheit und Naturzerstörung und die damit bedingte Gefährdung der Chancen kommender Generatio- nen und mache Vorschläge, wie wir mit der Bedrohung des gemeinsamen Hauses umgehen sollten.

Am Beispiel der Philippinen und Brasiliens verdeutlichte Schmidt die massiven Auswirkungen des von Menschen gemachten Klimawandels. Während die Philippinen ständig starke Stürme mit gewaltigen Opferzahlen bedrohten, werde der Amazonaswald weiter abgeholzt – mit verheerenden Konsequenzen für Mensch und die Umwelt: Die Amazonasbewohner velören ihren Lebensraum, und langfristig drohe als Resultat der schrumpfenden Wasser- und Verdampfungsfläche auch eine Veränderung des Weltklimas.

Nachhaltige Liebe

Für die Krise benenne Papst Franziskus vier Ursachen – das technokratische Paradigma, das eine Beherrschung der Erde ohne Ethik bedeute, den Wachstumszwang des Wirtschaftssystems, den Konsumismus als Globalisierung der Gleichgültigkeit und fehlende Ethik und Spiritualität. Um eine Veränderung zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft zu erreichen, sei nachhaltige Liebe notwendig, die dem nächsten Nächsten, dem fernen Nächsten, den zukünftigen Nächsten und der Schöpfung gelte. „Es geht schlicht darum, den Fortschritt neu zu definieren“, zitierte Schmidt Nummer 194 der Enzyklika und fragte rhetorisch: „Alle freuen sich, wenn der DAX steigt. Wem nützt das? Ist das wirklich ein Fortschritt?“

Denken von unten

2015 sei wegen drei großer Konferenzen in Addis Abbeba, New York und Paris ein „Super Entwicklungsjahr“ gewesen. „Jetzt gehts eigentlich erst los“, betonte er. „Laudato si'“ ermögliche, dass die Kirche an der Diskussion teilnehme. Das Lehrschreiben sei keine Ökologieenzyklika, sondern stehe als sozial ökologi- sche Enzyklika in einer langen, 1891 mit „Rerum Novarum“ beginnenden Tradition. Charakteristisch für „Laudato si'“ sei der befreiungstheologische Blick auf die Wirklichkeit und die Parteilichkeit zugunsten der Armen, das Denken von unten. Dieser „Bottom up-Ansatz“ ermutige lokale Initiativen zur praktischen Umsetzung: „Eine Enzyklika ist nur soviel wert, wieviel praktische Konsequenzen sie auslösen kann“, sagte Schmidt. Der Papst traue Opfern zu, selbst Interessen zu vertreten und Modelle alternativen Wirtschaftens zu entwickeln. Das globale Gemeinschaftsgut sei sozialpflichtig, und alles Gute, das allen geschenkt sei, müsse allen zur Verfügung gestellt werden. Zugleich gelte es, sich die Erde nicht nur untertan zu machen, sondern sie zu bebauen und zu bewahren. Der Mensch sei nicht die Krone, sondern nur ein Teil der Schöpfung.

Beachtung gefunden

Auch wenn laut Thomas Schmidt die Kultur der letzten 200 Jahre durchwegs negativ und die Marktwirtschaft teils pauschal beurteilt werde und die spezifische Betroffenheit der Frauen in den Systemkrisen zu kurz komme, habe das Dokument auch in säkularen Umweltverbänden, den Umweltwissenschaften, Parteien und Verbänden große Beachtung erfahren.

Die lokale Wirkmächtigkeit von „Laudato si'“ zeigte sich bei der anschließenden Podiumsdiskussion, an der Christoph Gawronski, der Umweltbeauftragte des Bistum, Wolfgang Kleiner, der Umwelt- und Kommunalreferent der Stadt, Thorsten Müller, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Umweltenergierecht Würzburg, Andreas Schliemann von der Versorgungs- und Verkehrs GmbH und Steffen Jodl vom Bund Naturschutz in Bayern e. V. teilnahmen. Letzter plädierte für ein Dranbleiben an der Sache und für Einschränkungen und Anpassung an den Klimawandel. Wohl sei noch viel Luft nach oben in Sachen Umsetzung von „„Laudato si'“, sagte Christoph Gawronski. Zugleich betonte er: „Wenn Kirche ordentlich agiert, kann sie viele Leute mitnehmen.“

Stefan W. Römmelt