Würzburg (POW) Die neue Reihe „Kunst-Räume“ ist gleich mit einem vollen Haus gestartet. Im Exerzitienhaus Himmelspforten diskutierten am Donnerstagabend, 30. April, Bau- und Kunstreferent Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, der Künstler Thomas Lange und Domvikar Dr. Burkhard Rosenzweig, der Direktor des Hauses. Ziel der Reihe ist es, Kunst und Architektur im Raum der Kirche miteinander ins Gespräch zu bringen.
Im Exerzitienhaus Himmelspforten hängen rund 300 Originalkunstwerke, doch als Konkurrenz zum Museum am Dom will Direktor Rosenzweig sein Haus nicht sehen – eher als Ergänzung. „Für manche Katholiken war die Neukonzeption im Hinblick auf zeitgenössische Kunst ein Schock“, erinnerte er sich. Doch inzwischen seien die Veränderungen angenommen worden. Zudem sei Kunst, die provoziert, eben auch Kunst, die anregt: „Kunst dient dazu, Menschen den Glauben näherzubringen, sie ist ein Schlüssel zur Seele und zu Gott.“ Daher gebe es hier keine gerahmten Kalenderblätter, denn darüber komme keiner mit dem anderen ins Gespräch.
„Als Kirche ist es uns aufgetragen, das Evangelium zu verkünden“, betonte Domkapitular Lenssen, „aber wir sind kein Geschichtsverein, uns ist der Mensch der jeweiligen Zeit anheim gestellt.“ Heute sei ein großes Verlangen nach Stillstand festzustellen, eine Sehnsucht nach der Welt der Kindheit. Hätten Menschen immer so gedacht, hätte es nie eine Renaissance oder ein Barock gegeben. Die Kunst dieser Zeit sei damals die moderne, zeitgenössische Kunst gewesen und sie präge noch heute unsere Landschaft. Himmelspforten sei ein altes Zisterzienserinnenkloster im Stil der Gotik. Die Kriegsschäden seien zum Teil noch heute zu sehen, ebenso Spuren ihrer Beseitigung im Stil der 50er und 60er Jahre. Dann aber habe man nicht nur eine bauliche, sondern eine gestalterische Veränderung angestrebt: „In diesem Haus wird viel gesprochen, aber das Haus selbst sendet auch eine nonverbale Botschaft aus.“ Die Verbesserungen lägen auf der Hand: Hätten früher zum Beispiel Büsche, Bäume und Plastikenten im Teich den Kreuzganggarten in Vorgartenatmosphäre getaucht, so habe eine Lichtplastik von Lilo Emmerling dort inzwischen einen Ort der Meditation geschaffen. Wegen dieser neuen Atmosphäre kämen heute auch kirchenfremde Organisationen zu Tagungen hierher – wegen gerahmten Kalenderblättern wären sie nicht gekommen.
Da die Kirche jedoch nur über einen begrenzten Etat verfüge, habe man in Himmelspforten bewusst auf Schenkungen, Vermächtnisse und Zustiftungen gesetzt. Durch zahlreiche Zuwendungen habe man hier aus dem Vollen schöpfen können. Selbst in den Gastzimmern hingen Originale bedeutender Künstler der Gegenwart. Dennoch werde nie etwas beschädigt. „Wenn Qualität an der Wand hängt, gehen die Menschen anders damit um“, bekräftigte Lenssen.
Unter den Werken im Exerzitienhaus sind auch Bilder des in Berlin und Italien lebenden Künstlers Thomas Lange, darunter das Hauptbild der braunen Madonna im Burkardussaal, in dem die Diskussion stattfand. Lange stammt aus protestantischem Elternhaus, konvertierte jedoch nach einem längeren Entscheidungsprozess zum Katholizismus. „Ich bin Künstler, und die calvinistische weiße Wand verschafft mir keine Aufträge“, sagte er dazu launig. In Wirklichkeit aber verkünden seine Werke eine klare religiöse Botschaft. „Kunst kommt von Künden – nämlich des Evangeliums – und nicht von Können, wie viele missverständlich glauben“, erläuterte Lange. In seiner Wahlheimat Italien gebe es heute viele Imitationen früherer Stile, das sei nicht authentisch. „Nicht jeder hat Geschmack, und Kunst funktioniert deshalb in Würzburg so gut, weil demokratische Prozesse hier außer Kraft gesetzt sind“, warf er bewusst provokativ ein. Denn eine demokratische Kunst gebe es nicht. Wenn alle Interessen berücksichtigt würden, komme nur der kleinste gemeinsame Nenner heraus, und das sei dann eben die Nullnummer, und sicher nichts revolutionär Neues.
Einig war sich Lange mit seinen Mitdiskutanten, dass die größte Gefahr derzeit die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in total Wissende und total Unwissende darstelle. „Die ganze Ikonographie, die ganze Bilderwelt geht flöten, wenn keiner mehr die biblischen Anklänge und Symbole erkennen kann“, kritisierte Lange, „es entstehen gesellschaftliche Schichten, mit denen wir nicht mehr reden können, weil sie nicht mehr wissen, wovon wir reden.“ Multi-Kulti gelte heute als schick, aber wenn viele nicht mehr wüssten, was Ostern sei, dann habe man ein Problem, dann habe man die babylonische Sprachverwirrung. Dies wolle er nicht als Konservatismus verstanden wissen, sondern als eine allzu reale Gefahr. Kunstreferent Lenssen warnte, dass sowohl Kunstwerk als auch Architektur zur reinen Dekoration verkämen, wenn man sie nicht mehr lesen könne: „Auf welche biblischen Attribute verweisen die Namen alter Gasthäuser, warum haben Häuser Erker? – Hier ist ein Vakuum entstanden, in das anderes eindringt, welcher Qualität auch immer!“
Die Reihe wird fortgesetzt, die Zuhörer sind zum Mitdiskutieren eingeladen, die künftigen Termine werden rechtzeitig bekanntgegeben.
Jerzy Staus (POW)
(1909/0559; E-Mail voraus)
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