Das entscheidende Ereignis für das Volk Israel ist die Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens und der Weg bis ins Gelobte Land. Die Erinnerung an die Demütigungen, die Fronarbeit und Repressalien in der Gefangenschaft wurde von Generation zu Generation wachgehalten. Das Volk Gottes weiß: Gott hat sein Flehen gehört und Rettung versprochen. Er ist es, der befreit – damals wie heute. Aber er sucht sich Menschen, die in seinem Auftrag handeln und seinen Willen zum Ziel führen. So hat er Mose und Aaron bestimmt, den Befreiungsauftrag zu realisieren. Im brennenden Dornbusch begegnete Gott Mose zuerst und sagte zu ihm: „..jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus.“ (Ex 3,10) Moses zierte sich: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Isaeliten aus Ägypten herausführen könnte? Gott aber sagte: Ich bin mit dir;“ Ex 3,11u.12)
Nach allen erfolglosen Verhandlungen mit dem Pharao und nach allen von Gott geschickten Plagen forderte Gott über Mose und Aaron das Volk auf, das Pascha zu feiern – so wie wir es eben in der ersten Lesung gehört haben (Ex 12,1-8.11-14). Die Schlachtung und Verspeisung des einjährigen, fehlerlosen Lammes, mit dessen Blut die beiden Türpfosten bestrichen werden sollten, verschonte diese so gekennzeichneten Häuser vor dem Gericht Gottes – der Tötung der Erstgeborenen bei Mensch und Vieh. Diese Rettung endet mit dem Auftrag Gottes: „Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest zur Ehre des Herrn! Für die kommenden Generationen macht euch diese Feier zur festen Regel!“ (Ex 12,14)
Genau in diese Paschafeier, die bis auf den heutigen Tag bei unseren jüdischen Schwestern und Brüder zur lebendigen Erinnerung an Gottes Heilstat begangen wird, hat Jesus die Einsetzung der Eucharistie gestiftet. Zunächst wusch er den Jüngern die Füße und zeigte so, dass er, der Sohn Gottes, nicht zum Herrschen, sondern zum Dienen gekommen ist. Und dies gab Jesus als Auftrag an seine Jünger weiter, indem er sagte: „Wenn ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,14 u.15)
Die Jünger verstanden nicht nur diesen Grundauftrag, sondern feierten Passah in gläubigem Vertrauen, dass Gott jetzt genau so wirksam an ihnen handelte wie beim Auszug aus Ägypten. Dieses Vorwissen war die Voraussetzung, dass sie auch die Einsetzungsworte, die uns eben in der zweiten Lesung aus dem 1. Korintherbrief von Paulus übermittelt wurden, aber auch in den Evangelien festgehalten sind, in ihrer Tragweite verstehen konnten: „Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ (Lk 22,19 u. 20) Paulus fügt noch hinzu: „Denn sooft ihr von diesem Brote esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1 Kor 11,26)
Jesus konnte davon ausgehen, dass die Apostel, die mit ihm dieses Paschamahl feierten, verstehen würden, dass er – erstens – in der heilswirkenden Vollmacht Gottes Brot und Wein in sein Fleisch und Blut wandelte, – zweitens – dass er in dieses Geschehen schon seinen Erlösertod einbrachte und – drittens – dass er selbst, wann immer dieser Auftrag von den dazu Bevollmächtigten wahrgenommen wurde, dieses Wunder vollbrachte. Die wirkliche, leibhaftige Gegenwart Jesu in den eucharistischen Gestalten ist das große Geschenk dieser Stunde. Wann immer wir Eucharistie feiern denken wir nicht nur an das Geschehen im Abendmahlssaal zurück, sondern rufen es auf. Hier und jetzt vergegenwärtigt sich das Heilshandeln Gottes auch an uns. Jesus ist der eigentlich Handelnde. Sein Opfertod am Kreuz verströmt sich in die jetzige Feier hinein. Wir sitzen nicht nur gleichsam im Abendmahlssaal, sondern stehen auch unter dem Kreuz auf Golgotha. Seine Liebe verschenkt sich in einem solchen Maße, dass wir es gar nicht mehr erfassen können.
Dieser Auftrag, Eucharistie zu feiern, bleibt nach seinen eigenen Worten bis zum Ende der Zeit bestehen. So bleibt der Herr unter uns gegenwärtig und schenkt uns – auch und zumal in schweren Zeiten – in seinem Fleisch und Blut das ewige Leben.
Amen.