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3. Ostersonntag, Lj C, 4.5.2025 – Vogelsburg

Bestärken lassen für unsere Aufgaben in der Welt!

„Es geht um eine lebensbejahende und auf das Miteinander ausgerichtete Grundhaltung, die den Einzelnen trägt und die Gesellschaft prägt. … Es geht also um die entscheidende Grundhaltung, aus der heraus wieder ein hoffnungsvoller und mutiger Blick in die Zukunft mit all ihren Herausforderungen erwachsen kann“, sagte Domkapitular Clemens Bieber bei seiner Predigt zum 3. Ostersonntag auf der Vogelsburg. „Es geht ums Leben! Und dafür sendet uns Jesus in die Welt! Die Welt, die Menschen warten auf die Ermutigung zum Leben. Die Welt braucht das Netzwerk Leben.“

Die Predigt im Wortlaut:

Bedenkliche Aussagen, die in den vergangenen Tagen durch die Presse gingen: Alt-Bundespräsident Joachim Gauck z.B. sagte: „Ich bin besorgt über die mentale Schwäche Deutschlands.“ Deutschland sei auf allen Ebenen nicht vorbereitet auf die notwendigen Veränderungen, „nicht nur technisch, sondern emotional, moralisch, politisch. Wir brauchen eine neue Ernsthaftigkeit.“

Im Blick auf die Unsicherheiten, die sich unter der Bevölkerung breitmachen, wenn sie auf die Zukunft angesprochen werden, sagte Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz: „Angst ist ein schlechter Begleiter.“ Sie ergänzte ihre Aussage: „Es liegt an uns … im Parlament, an den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land und den politisch Verantwortlichen, an jeder Stelle in Gemeinden, Kommunen und Landkreisen, nie zu vergessen: Wo kommen wir her? Was ist unsere Geschichte? Was sind unsere Werte?“

Zugleich äußerten sich in den Tagen um den 1. Mai mehrere Kommentatoren in den großen Tageszeitungen, was sich in Überschriften spiegelt: „Warum der Mythos vom deutschen Fleiß bröckelt.“ Oder: „Arbeiten die Deutschen zu viel oder zu wenig?“ Dazu die Feststellung: „Manche schon. Aber aus einem früheren Lebensmodell allgemeiner Tüchtigkeit ist inzwischen die Lebenslüge einer trägen Nation geworden.“
Weiter steht zu lesen: „Nicht falsch verstehen: Es gibt fleißige Menschen in diesem Land. Leute mit zwei oder drei Jobs. Alleinerziehende. Alte, die immer noch schuften. Junge, die etwas vorhaben. Sie ziehen diese Nation durch das Elend etlicher Krisen. Kann es aber sein, dass diese Menschen immer weniger werden – und zwar nicht nur aufgrund der Demografie, sondern auch aufgrund einer um sich greifenden ‚Mir-doch-wurscht-Egozentrik‘, die einhergeht mit immer absurderen Kollektivansprüchen an die Welt?“ Dazu der Verweis auf die Arbeitszeitstatistik der OECD, bei der sich Deutschland auf dem letzten Platz befindet. Leider wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Feiertagsdiskussion entfacht.

Erwähnt wird mit den vielfältigen Kommentierungen dieser Tage z.B. auch, dass sich mehr als jeder zweite Deutsche ich einer Studie zufolge „erschöpft“ fühlt.
Einer der renommiertesten Arbeitsmarktforscher Enzo Weber konstatiert: Die Identifikation der Beschäftigten mit ihrer Tätigkeit ist nicht mehr das, was sie mal war. „Das Engagement im Job hat definitiv nachgelassen.“ Ein Bundespolitiker wird zitiert mit der Aussage: Arbeit dürfe nicht als „unangenehme Unterbrechung unserer Freizeit“ gesehen werden.

Was haben diese bedenklichen Aussagen mit der Botschaft des 3. Ostersonntags zu tun? In den erwähnten – wie in vielen weiteren – Aussagen dieser Tage wird immer wieder der Appell laut: „Es muss sich etwas ändern!“ Aber es drängt sich die Frage auf, ob der Einzelne dazu bereit ist, oder dies nur von anderen, von der Gesellschaft erwartet?
Erstaunlich ist auch der Ruf nach Impulsen zur gesellschaftlichen Orientierung und der Wunsch nach Persönlichkeiten, die Orientierung bieten. Gerade dies wurde in vielen Nachrufen auf Papst Franziskus laut. Er habe mutig Orientierung gegeben.

Klar ist jedem wachen Zeitgeist, dass die gesellschaftlichen wie auch die wirtschaftlichen und sozialen Probleme nicht durch einzelne politische Maßnahmen oder strukturelle Veränderungen zu beheben sind. Es geht um eine lebensbejahende und auf das Miteinander ausgerichtete Grundhaltung, die den Einzelnen trägt und die Gesellschaft prägt.
Es geht also um die entscheidende Grundhaltung, aus der heraus wieder ein hoffnungsvoller und mutiger Blick in die Zukunft mit all ihren Herausforderungen erwachsen kann.

Damit sind wir nahe an der Situation, von der uns das heutige Evangelium berichtet. Die Jünger sind wie geschlagen nach den Ereignissen des Karfreitags. Es gibt für sie zwar immer wieder lichte Momente, aber es hatte sie noch nicht wirklich gepackt und nicht richtig erfasst. Sie waren noch nicht ganz davon überzeugt, dass Jesus lebt, und dass mit IHM auch für sie ganz neue, ungeahnte Lebensmöglichkeiten aufleben. Deswegen bleibt ihre Arbeit letztlich ergebnislos. „Sie fingen nichts“, berichtet uns der Evangelist. Sie waren noch nicht die österliche Kirche, in der Jesus, in der seine Ideen, seine Hinweise auf Gott, seine aufbauenden Worte, seine Art, den Menschen zu begegnen, mit ihnen umzugehen, lebendig ist.

Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Als die Jünger es wagen, es riskieren, sich auf IHN einlassen, da ändert sich ihre Situation. Ihre bisherige Berufserfahrung als Fischer lehrte sie zwar, wer in der Nacht nichts gefangen hat, wird erst recht am hellen Tag keine Fische fangen. Aber auf SEIN Geheiß hin gelingt das Unverhoffte.
Bemerkenswert ist, dass sie das Netz auf der rechten Seite auswerfen. Die rechte Seite war im Altertum die positive Seite, die Seite des Bewusstseins. D.h., wenn wir also mit positiver, hoffnungsvoller Einstellung, mit Vertrauen auf Gottes Hilfe an unsere Aufgaben herangehen, mit dem Bewusstsein, im Sinne Jesu zu handeln, es nicht – wie wir sagen – „mit links“, also halbherzig, nur nebenbei, oder nur soweit es mir selbst nutzt, angehen, dann wird unser Bemühen auch gelingen.

Deshalb sollten wir Christen, denen diese Botschaft ans Herz gelegt wird, um in dieser Welt zu wirken, noch etwas an diesem Ereignis, diesem Evangelium dranbleiben:

  • Unser Auftrag – sagt der Evangelist – lautet: Menschen zu gewinnen für die Sache Jesu, für das Reich Gottes, also Menschenfischer sein. Oder mit anderen Worten:
    Menschen an Land, auf den Boden des Glaubens bringen, der uns selbst Halt gibt.
    Den Menschen eine Perspektive anbieten, unter der ihr Leben gelingen kann,
    auch wenn es im Augenblick scheinbar Nacht ist und zündende Ideen fehlen,
    auch wenn vor der Hand schnelle Erfolge ausbleiben und sich Ermüdung einstellt.

Eine wesentliche Auswirkung dieser Frohen Botschaft ist:

  • Als Kirche sollen wir sein wie ein großes Netz,
    das trägt und auffängt, das Menschen miteinander in Verbindung bringt,
    das ganz unterschiedliche Menschen, Starke und Schwache, Stille und Redegewandte, Sichere und Suchende, Erfolgsverwöhnte und Gescheiterte „ver-netzt“.
    Der Kirchenlehrer Hieronymus deutet die Zahl der 153 Fische symbolisch und sagt:
    Damals waren im See von Tiberias 153 verschiedene Fischarten bekannt – also sollen alle Arten von Menschen, eine ganze Fülle im „Netzwerk Kirche“ heimisch werden.
    Ein Netzwerk soll die Kirche sein, ein Netz, das trotz der Fülle und der Verschiedenheit der Mitglieder nicht zerreißt, das trotz der Vielfalt das Gemeinsame nicht aus den Augen verliert.

Aber von nichts kommt nichts. Deshalb ist es wesentlich für unsere Identität,

  • dass wir zusammenkommen,
  • dass wir uns – wie die Jünger – von Jesus einladen lassen „Kommt her und eßt!“,
  • dass wir also Communio, Gemeinschaft halten,
  • dass wir uns bestärken lassen durch seine motivierende und provozierende Botschaft,
  • dass wir seinen Proviant, das Mahl mit dem Auferstandenen, mitnehmen auf unseren Weg ins Leben und durch die Welt,
  • dass wir uns von daher bestärken lassen in unserem Auftrag füreinander und die Welt.

Die Mahlgemeinschaft mit Jesus ist unser Erkennungszeichen, unser Markenzeichen. Hier wird deutlich, wovon wir leben und wofür wir leben, wem wir unsere Existenz verdanken und welches Profil unser Christsein hat. Deswegen ist unsere sonntägliche Versammlung auch so entscheidend wichtig! Namhafte Religionssoziologen wie Detlef Pollack betonen den Zusammenhang zwischen „nicht mehr hingehen“ und „nicht mehr daran glauben“. Sie stellen fest, dass Ersteres zu Letzterem führt. In der F.A.Z. stand dieser Tage zu lesen: „Jesus wird sich durch Yoga nicht ersetzen lassen …“ In diesem Zusammenhang heißt es: Das Problem sei nicht die angemessene Organisation des Glaubens, sondern dieser selbst.

In unserer Single- und Konsumgesellschaft mit ihrer schrecklichen Vereinzelung hat sich leider ergeben: Immer mehr sehen nur ihre eigenen Bedürfnisse. Es entstehen immer mehr Interessensgemeinschaften. Verbände und Lobbyisten versuchen ihre Pfründe zu sichern. Aber immer weniger sind bereit und fähig, das Ganze, die Gemeinschaft, die Allgemeinheit und ihre Notwendigkeiten zu sehen. Es geht also um die entscheidende Grundhaltung, aus der heraus wieder ein hoffnungsvoller und mutiger Blick in die Zukunft erwächst.

Als Kirche ist uns die Lebensbotschaft ans Herz gelegt, die nicht tot zu kriegen ist, und damit auch der Auftrag, sie zu beherzigen in unserem Denken, sie weiterzugeben durch unser Sprechen und Handeln in dieser Welt, um dem Leben zum Durchbruch zu verhelfen.

Es geht ums Leben! Und dafür sendet uns Jesus in die Welt! Die Welt, die Menschen warten auf die Ermutigung zum Leben. Die Welt braucht das Netzwerk Leben. Unsere Aufgabe ist es, uns um die Sorgen und Aussichtslosigkeiten anzunehmen, damit die Welt nicht „baden“ geht, sondern „auftaucht“ und auflebt mit österlicher Zuversicht.
Ich habe eingangs Joachim Gauck zitiert: „Wir brauchen eine neue Ernsthaftigkeit.“
Um darauf hinzuwirken, gilt es, dass jede und jeder von uns getragen ist vom Glauben an den Auferstandenen. Diese Überzeugung feiern und bekennen wir, so wie es Johannes im heutigen Evangelium gegenüber Petrus getan hat: „Es ist der Herr!“

Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de

Text zur Besinnung

Herr, lass uns nicht schweigen,
wenn die Zeichen auf Feuer stehn
und es Zeit ist
zu schreien.

Herr, lass uns nicht schlafen,
wenn draußen Wölfe heulen
und es Zeit ist
zu wachen.

Herr, lass uns nicht ruhn,
wenn alles gegen uns ist
und es Zeit ist
zu handeln.

Herr, lass nicht zu,
dass wir uns selbst verlieren,
weil wir nichts als unsere Ruhe
bewahren wollen.

(Autor unbekannt)