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Alternative Landwirtschaft

Zu Besuch in Paraiso, das ist ein kleines, einfaches Bildungshaus das sich mitten im Regenwald befindet.

Donnerstag, der 19. Mai ist unser letzter, eigentlich nur halber Tag in Óbidos. Auf dem Programm steht ein Besuch im „Paraíso“. Das „Paradies“ ist ein kleines, einfaches Bildungshaus, das sich in der Nähe der Stadt mitten im Regenwald befindet. Bald liegt die gute, zwar mit Schlaglöchern übersäte Asphaltstraße hinter uns und der alte VW-Bus der Diözese holpert über die staubige Straße roter Erde. Die Afrikafans unter uns fühlen sich sofort an Afrika erinnert… Nach ca. 25 Min. Fahrt erreichen wir ein idyllisches Stück Land mit einigen einfachen Häusern. Hier funktioniert die sogenannte „Casa familiar rural“ - eine Sekundarschule, die als modulare Ganztagsschule betrieben wird. Die etwa 50 Schülerinnen und Schüler kommen ausschließlich von armen Landfamilien, die von Subistenzwirtschaft, ganz besonders dem Anbau von Maniok und dessen Verarbeitung zur  Maniokmehl – farinha – dem Grundnahrungsmittel Amazoniens leben. Ein weiterer Teil der Schüler kommt aus Fischerfamilien. Hier in der Casa können sie in 3 Jahren ihren Schulabschluss machen und gleichzeitig erhalten sie ein Ausbildung als Agrartechniker. Maria José, die Leiterin der diözesanen Caritas, die 2016 anlässlich der Misereor Fastenaktion in Würzburg war, koordiniert diese Schule. Sie selbst hat dort die ganze Ausbildung durchlaufen, ihren Schulabschluss gemacht und sie bestätigt, dass dieses Ausbildungsmodell ihr die Augen für die Realität geöffnet habe. Die Pädagogik der Schule orientiert sich am Modell der befreienden Pädagogik des bekannten brasilianischen Reformpädagogen Paulo Freire. Anhand von Schlüsselthemen wird versucht die Realität zu erfassen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Die Schüler verbringen eine Woche monatlich in der Casa familiar rural, die restlichen drei Wochen arbeiten auf der kleinen Landwirtschaft ihrer Eltern oder schon in der eigenen Landwirtschaft. Da die Lehrer vom Landkreis Óbidos bezahlt werden, fallen für die Schüler nur die Verpflegungskosten für die Intensivwoche in der "Casa familiar rural" an.
Die Übernachtungsmöglichkeiten sind einfach, so wie sie es von ihren Familien gewohnt sind. Jede/r bringt die eigene Hängematte mit - es gibt einen Bereich für die Frauen und einen für die Männer. Um der Realität der Schüler entgegen zu kommen, bittet die Casa die Schüler nicht um einen fixen Geldbetrag, vielmehr werden die Verpflegungskosten in Lebensmittel bezahlt. So besteht die Verpflegung der Woche aus den mitgebrachten Lebensmittel aller. Ein/e Schüler/in jedes Jahrgangs berichtet uns von den Erfahrungen mit der Casa. Wir sind alle sehr betroffen, als uns ein Schüler des 1. Jahrgangs erzählt, dass er zweimal leider nicht an der Ausbildungswoche teilnehmen konnte, weil seine Eltern die verlangten Lebensmittel etwa im Wert von € 70,00 nicht aufbringen konnten. Trotzdem sieht er in der Ausbildung eine einzigartige Chance für sich selbst und auch für die Weiterentwicklung der häuslichen Landwirtschaft. Als wir die SchülerInen fragen, was sie - aufgrund ihrer Ausbildung - zuerst auf ihren kleinen Höfen verändern würden , meldet sich spontan die zierliche Susann aus dem 3. Ausbildungskurs. "Unbedingt pestizidfrei düngen" - kommt es, wie aus der Pistole geschossen. Dies und das Wissen um eine große Arten- und Sortenvielfalt, eine größere Anbauvielfalt in der eigenen Landwirtschaft sind wichtige Inhalte des pädagogischen Konzepts der Schule.

Jetzt ist die Stunde unserer KLB-Geschäftsführerin Angelika Haaf gekommen. Engagiert und begeistert erzählt sie von ihrem eigenen Kampf als einer der ersten ökologischen Bauernhöfe in Unterfranken. Sie ermutigt ihre jungen brasilianischen Kollegen den hier eingeschlagenen Weg weiter zu gehen, auch wenn er nicht immer leicht ist. Trotz der Zunahme des Agrobuisiness sind bis heute 90% der landwirtschaftlichen Betriebe kleinbäuerliche Familienbetriebe. Sie tragen wesentlich zur Ernährungssicherung der Bevölkerung weltweit bei. "Die vielfältige Unterstützung dieser kleinbäuerlichen Betriebe in Deutschland und weltweit gehört zu den wesentlichen Aufgaben des Landvolkes", so Angelika Haaf.  Die zukünftigen Kleinbauern am anderen Ende der Welt lauschen mit großem Interesse den Worten ihrer erfahrenen Kollegin und klatschen begeistert Applaus. Am liebsten würden alle sofort die Haafs'sche Bioeierproduktion kennen lernen.

Als wir das beim Mittagessen Bischof Bahlmann erzählen, meldet auch er gleich Interesse an. Bei seinem nächsten Besuch im Bistum Würzburg muss der Biolandhof Haaf auf dem Programm stehen!!