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Absturz ins Reisfeld und andere Plagen

Altabt Odo Haas über sein Leben als Missionsbenediktiner und die Parallelen zum Leben des heiligen Paulus

Taipei/Münsterschwarzach/Karlstadt (POW) Ob Lebensgefahr oder Sprachhürden: Viele Dinge, die dem Völkerapostel Paulus bei seiner Missionstätigkeit begegneten, kennt der aus Karlstadt stammende Benediktiner-Altabt Odo Haas (77) aus eigener Erfahrung. Im folgenden Interview zum 2000. Geburtstag des Völkerapostels Paulus und zum Monat der Weltmission, den die katholische Kirche jedes Jahr im Oktober begeht, spricht der Mönch über seine Beziehung zu Paulus, besondere Erschwernisse seiner Tätigkeit und über die Unterschiede zwischen Ungläubigen in Deutschland und dem Ausland.

POW: Herr Abt, Sie sind 1959 als junger Pater von 28 Jahren nach Korea aufgebrochen. Hatten Sie wie Paulus ein besonderes Bekehrungserlebnis? Oder was genau war ihre Motivation, ein solches Wagnis einzugehen?

Altabt Odo Haas: Ich hatte tatsächlich ein besonderes Erlebnis, das mich geprägt hat. Allerdings fiel ich nicht vom Pferd und auch nicht vom Stuhl. Ich las in einem Jahreskalender der Pallottiner, dass in Argentinien – für mich war das damals „Missionsland“ – ein Priester 20.000 Christen zu betreuen hätte. Das schlug bei mir durch. Ruckzuck wusste ich, dass ich helfen müsse. Natürlich hatte ich meine eigenen Zukunftspläne, hatte auch eine Freundin, die mir schon ihre Zusage für später signalisierte. Wie ich antworten solle, das war mein Problem. Da half mir mein damaliger Kaplan, der im Mai 2008 verstorbene Pfarrer Josef Ball aus Mömlingen. Die Einzelheiten sind eine eigene Story. Ich war mir felsenfest sicher, dass ich Missionar werden müsse.

POW: Wussten Sie auch schon, wie der Weg zum beruflichen Ziel hin verlaufen soll?

Abt Odo: Natürlich kristallisierten sich die einzelnen Schritte im Laufe der Jahre heraus, bis ich schließlich in Korea landete. Und bis heute muss ich auf den Ruf Gottes für meine weiteren Schritte achten. Noch bin ich mir nicht sicher, ob Taiwan wirklich meine letzte Station sein soll.

POW: Paulus hat als Missionar unter anderem Schiffbruch erlitten, wurde ins Gefängnis gesteckt und geschlagen. Welche gefährlichen und strapaziösen Erlebnisse haben Sie überstehen müssen?

Abt Odo: In Würzburg und Düsseldorf wurde ich wegen meines Benediktinerhabits insgesamt dreimal angespuckt. So etwas passierte mir nie in den so genannten Missionsländern. Immer fand ich Respekt bei den vermeintlich „Ungläubigen“. Mein Jeep landete einmal im drei Meter tiefer liegenden Reisfeld, auf dem Kopf stehend, als ich zur Firmung chauffiert wurde. Aber schlimmer waren die kleinen, fast unsichtbaren Plagegeister wie Flöhe und Läuse – wohlgemerkt im früheren Korea, also vor zirka 50 Jahren. Am schlimmsten sind die „Plagen“ der je neuen Sprache. Das heißt, ich schrieb jede Predigt auf Koreanisch, Japanisch und Bisayan (Philippinen) nieder, um sie dann vom Katechisten korrigieren zu lassen, ehe ich sie dann mehr oder weniger ablas. Dann die vielen sprachlichen Missverständnisse beim Katechismusunterricht für Ältere wie auch Junge. Wie oft habe ich ein „gebildetes“ Wort erwischt, wusste aber nicht das volkstümlich gebräuchliche.

POW: Als Zeltmacher hat Paulus sich um seinen Lebensunterhalt selbst gekümmert. Wie haben Sie den benediktinischen Auftrag von „ora et labora“ bei Ihrer missionarischen Tätigkeit umgesetzt?

Abt Odo: Sobald ein Missionszentrum nach benediktinischem Stil errichtet ist, halten wie das Chorgebet in Gemeinschaft viermal am Tag – ähnlich wie in der Abtei Münsterschwarzach. Zu Beginn kann das wie etwa auf den Philippinen aussehen, wo der koreanische Bruder Ludovico und ich, je auf einer selbstgezimmerten Bettstatt einander gegenüber sitzend, ebenso viermal täglich unser Gebet gemeinsam auf Koreanisch sprachen, bis die anderen Mitbrüder zu uns stießen. Von da an beteten wir auf Englisch in einem Gebetsraum. Die genauen Einzelheiten ergäben einen Roman.

POW: Wie sind die Aufgaben im Kloster aufgeteilt?

Abt Odo: Das „labora“ sieht bei Bruder und Pater meist verschieden aus. Der Bruder baut die Landwirtschaft zusammen mit den einheimischen Angestellten beziehungsweise später mit den Brüdern aus dem Land auf. Auch das ist Verkündigung und sozialer Dienst. Der Priester „arbeitet“ hart mit seiner Predigt und Pastoral. Er sucht das Gespräch mit Ungetauften, Interessierten und Fernstehenden, ähnlich wie in der Heimatkirche. Ich muss auf meine Person zugeschnitten an Japan denken, wo mich der Auslandsseelsorger für die Deutschen bat, in der Deutschen Schule die Oberklassen in Religion zu unterrichten. Dafür erhielt ich auch eine Entlohnung. Ebenso wurde ich gebeten, an der bekannten Sacred-Heart-Universität, wo die derzeitige japanische Kaiserin in ihrer Jugend studierte, Deutsch sowie Theologie zu unterrichten. Theologie war praktisch Bibelunterricht. Die meisten meiner Studentinnen waren Nichtchristen. Aber ihre Examensarbeiten fielen manchmal besser als die von Seminaristen aus. Auch für diese Lehrtätigkeit wurde ich entlohnt und hätte davon allein meine Existenz bestreiten können.

POW: Gibt es sonst etwas, das Sie sich bei Ihrer Missionstätigkeit beim Völkerapostel abgeschaut haben?

Abt Odo: Während meines Theologiestudiums habe ich bei Professor Rudolf Schnackenburg eine Lizentiatsarbeit mit dem Titel „Paulus der Missionar“ verfasst. Stets gingen mir die Erkenntnisse durch den Kopf. Der eigentliche Eindruck für mich ist nach wie vor die Radikalität, mit der sich Paulus für das Evangelium eingesetzt hat. Er verkündete Jesus Christus, den Messias aller Menschen, auch der Heiden. Ich bewundere auch seine persönliche Bindung an „seinen“ Jesus Christus.

POW: Welche Impulse für die Kirche in Deutschland haben Sie von Ihren verschiedenen Missionsländern mitgenommen?

Abt Odo: In meiner Anfangszeit als Missionar war ich als Kaplan für 19 Außenstationen zuständig. Ich besuchte Wohnhäuser, wo sich die Christen versammelten, und lebte 24 Stunden mit der Familie beziehungsweise der versammelten Gemeinde. Essen, Schlafen und Messe – alles fand im gleichen Zimmer, unter gleichem Dach statt. Das schweißt zusammen, und man fühlt sich als echte Gemeinschaft, wie eine Familie. Ähnlich, aber nicht als 1:1-Kopie könnte ich mir das in Deutschland vorstellen. In ähnlicher Form hat sich das Modell in meiner Pfarrei in Japan bestens bewährt.

POW: Bis zum Sommer dieses Jahres waren Sie in Sankt Paul vor den Mauern in Rom, am Grab des Völkerapostels. Was hat sich während der Jahre dort in Ihrer persönlichen Beziehung zu dem Apostel verändert?

Abt Odo: Ich habe gegenüber allen Verantwortlichen intensiv kritisiert, dass vom Missionsgeist des heiligen Paulus an und um sein Grab nichts zu spüren war und ist. Ob das Paulus-Jahr daran etwas verändern wird? Durch Paulus habe ich persönlich die Demut gelernt, auch diesen Umstand zu ertragen. Tausende kommen täglich ans Grab des Paulus, und ihnen wird relativ wenig geboten. Und Touristenführer haben zu 99 Prozent nur historische Daten parat.

POW: Derzeit sind sie wieder als Missionar unterwegs. Diesmal in Taiwan. Ist dort der antireligiöse Einfluss Chinas spürbar?

Abt Odo: Nein. Ich war dreimal im Nordosten Chinas, der früheren Mandschurei, und habe persönlich in der kurzen Zeit nichts an antireligiöser Tätigkeit der Regierung verspürt. Allerdings hatte ich keine Beziehung zur Untergrundkirche – allen Bemühungen zum Trotz. Auch wenn man Chinesisch spricht, dürfte es anders ansehen. In Taiwan, wo ich auch der Landessprache nicht mächtig bin – erkenne ich nichts in der Tageszeitung, was nach Einfluss aus dem Festland auf religiösem Gebiet aussieht. Taiwan ist völlig frei, was Religion angeht.

POW: Wenn Sie Paulus eine Frage stellen dürften, was wollten Sie dann von ihm wissen?

Abt Odo: Meine Frage würde lauten: Wie bist Du zum Freund Jesu geworden, ganz konkret? Ich würde ihm auch persönlich danken für seine Freundschaft zu mir. Drei Jahre lang habe ich täglich so an seinem Grab mit ihm geredet.

Zur Person:

Altabt Odo Haas (77) ist in Karlstadt am Main geboren. Von 1946 bis 1952 besuchte er in Münsterschwarzach und Würzburg das Gymnasium. 1952 folgte der Eintritt ins Kloster, 1956 leistete Haas Feierliche Profess. 1958 empfing er die Priesterweihe. Am 13. September 1959 wurde er zur Mission nach Waegwan in Korea ausgesandt. Von 1964 bis 1971 war Haas erster Abt der neuen Abtei Waegwan. Von 1972 bis 1982 wirkte er als Missionar in Japan. 1982 gründete er in Digos auf den Philippinen ein neues Kloster, das er bis 2002 leitete. 2003 bis 2004 war er Missionar in Korea und Indien. Von 2005 bis Sommer 2008 war Haas in der Abtei Sankt Paul vor den Mauern in Rom tätig. Derzeit ist er bei den Benediktinerinnen im taiwanesischen Taipei als Missionar eingesetzt.

(4208/1218; E-Mail voraus)

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